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Samstag, 2. Januar 2010

Demonstranten zwingen Regime in die Defensive


Demonstranten zwingen Regime in die Defensive

Von Ulrike Putz
Demonstrant in Teheran: "Wir werden kämpfen, wir werden sterben"
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AFP

Demonstrant in Teheran: "Wir werden kämpfen, wir werden sterben"

Aufruhr in Teheran: Nach den tödlichen Auseinandersetzungen am Sonntag steht das Regime unter Druck. Mit dem Bruch der traditionellen Waffenruhe an religiösen Feiertagen hat es auch viele Gläubige verprellt. Die Opposition will den Systemsturz erzwingen.

Hamburg - Scheinbare Regeln entstehen schnell und halten sich hartnäckig: Gut ausgerüstete Polizisten schlagen unbewaffnete Demonstranten - das war das Schema, nach dem die Proteste in Iran abliefen, die durch die umstrittene Präsidentschaftswahl im Juni ausgelöst wurden.

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Das galt bis zum vergangenen Sonntag. Am heiligen Aschura-Fest, dem Tag, an dem die Schiiten des gewaltsamen Todes ihres Religionsführers Imam Hussein gedenken, könnte sich das Blatt gewendet haben. Die Bilder und Amateurvideos, die per Internet aus Iran in die Welt geschickt wurden, zeigten viele Szenen, die den über Monate entstandenen Sehgewohnheiten widersprechen: Diesmal waren es die Demonstranten, die Polizisten jagten, zusammenschlugen, festsetzten. Diesmal waren es Sicherheitskräfte, die Blut überströmt an den Straßenrändern saßen. Und: Es gab Bilder von Uniformierten, die die Seiten gewechselt hatten, die von Demonstranten auf Schultern getragen wurden und die grünen Bänder der Protestbewegung schwenkten.

Dass es am 27. Dezember zu schweren Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Opposition kommen würde, war spätestens seit einer Woche klar. Am Sonntag vor acht Tagen war der geistige Führer der Reformbewegung, Großajatollah Hossein Ali Montaseri gestorben. Seine Beerdigung, an der bis zu einer Millionen Menschen teilgenommen haben sollen, wurde zur Demonstration der Stärke der iranischen Opposition. Am Sonntag dann fielen die traditionellen Gedenkfeiern sieben Tage nach seinem Tod mit den Feierlichkeiten zu Aschura, dem Höhepunkt des Trauermonats Muharram, zusammen: Zwei Anlässe, die die Emotionen vieler Oppositioneller so aufstachelten, dass sie zum Angriff übergingen, wo sie bislang Opfer gewesen waren.

Regime missachtet Gebot zur Waffenruhe an Feiertagen

Dass die Sicherheitskräfte sich während der Auseinandersetzungen der letzten Tage nicht an die Waffenruhe hielten, die an hohen Feiertagen traditionell gilt, hat selbst konservative, bislang regimetreue Iraner in Aufruhr versetzt. Augenzeugen berichteten, dass sich am Sonntag auch viele an ihrer Kleidung als strenggläubig gekennzeichnete Iraner unter die Protestierenden in Teheran gemischt hatten.

Bereits ein Vorfall am Samstag hatte gläubige Iraner gegen das Regime aufgebracht. Dabei hatten regierungsnahe Schlägergruppen eine Moschee in Teheran gestürmt, während der ehemalige Präsident Mohammed Chatami dort eine Rede hielt. Dass es offenbar am heiligen Trauertag Aschura einen Schießbefehl gab, hat die Empörung auf die Spitze getrieben. "Selbst das Regime des Schah hat die Aschura respektiert und die Konfrontationen auf die Tage danach verschoben", wetterte der unterlegene Präsidentschaftskandidat und Kleriker Mahdi Karrubi am Montag. Das Regime, das aus der islamischen Revolution hervorgegangen sei, habe seine Hände nun mit dem Blut der Nation bedeckt. Nach Augenzeugenberichten forderten selbst konservative, in der Tschador gehüllte Frauen, am Sonntag in Sprechchören den Abgang des obersten Religionsführers Ajatollah Ali Chameneis.

Wie viele Tote es am Sonntag zu beklagen gab, ist unklar. Internetseiten der Reformbewegung wie "Jaras" sprechen von acht bis zehn Toten. Die staatlichen iranischen Medien, die Anfangs leugneten, dass es überhaupt Tote gegeben habe, zählten am Montag gar 15 Opfer: Zehn "bekannte antirevolutionäre Terroristen" sowie fünf weitere Personen seien unter "verdächtigen Umständen" ums Leben gekommen. 300 "Randalierer" seien verhaftet worden.

Leiche von Mussawis Neffen offenbar verschwunden

Fest scheint zu stehen, dass Ali Habibi-Mussawi, der 43-jährige Neffe des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Hossein Mussawi unter den Toten ist. Habibi-Mussawi sei vor seiner eigenen Haustür erst überfahren und dann erschossen worden, berichtete der Filmemacher Mohsen Machmalbaf, der von Paris aus als Mussawis Sprecher im Ausland fungiert. Am Montag meldete die Reforminternetseite "Jaras" zudem, der Leichnam Habibi-Mussawis sei aus dem Leichenschauhaus des Krankenhauses verschwunden. Das habe sein Bruder berichtet. Demnach könne vorerst keine Beerdigung stattfinden.

Lässt die Regierung Leichen verschwinden, damit die Trauerzüge für die Todesopfer des Aschura-Tages nicht erneut in Straßenschlachten ausarten? Iranische Beobachter schließen das nicht aus: Das Regime, in die Ecke gedrängt, scheint mit allen Mitteln die Oberhand behalten zu wollen. Die Regierung in Teheran sieht sich einem gefährlichen Zyklus gegenüber: Traditionell wird in Iran drei, sieben und 40 Tage nach dem Ableben jedem Toten gedacht. Das Gedenken an den Tod Montaseris hat gestern bis zu fünfzehn Leben gekostet - und damit fünfzehn neue Anlässe für Massenaufläufe geschaffen. Die periodisch wiederkehrenden Trauerzüge für die damaligen "Märtyrer der Revolution" war eines der Phänomene, an dem der iranische Schah 1979 scheiterte.

"Die Führer müssen jetzt vor Gericht gezogen werden"

Immer schärfer werden die Drohungen gegen die - unfreiwillig zu Führern der Protestbewegung gewordenen Politiker - Mussawi und Karrubi. Am Montag sagte der Vorsitzende des juristischen Ausschusses im Teheraner Parlament, der Zeitpunkt sei gekommen, die beiden Symbolfiguren zur Verantwortung zu ziehen. "Die Führer müssen jetzt vor Gericht gezogen werden", so Hodschatol Islam Ali Schahroki. Obwohl es in der Vergangenheit mehrmals entsprechende Aufrufe gab, scheute die Führung bislang vor diesem Schritt zurück: Teheran fürchtet, eine Verhaftung der beiden könnte einen Sturm auslösen, der das Regime in den Untergang treiben könnte.

Das Regime hielt sich am Montag stattdessen an den Vertrauten und Mitarbeitern der Leitfiguren der Protestbewegung schadlos. Nach Berichten der Opposition wurde Mohammed Bagherian, Mussawis Bürochef, verhaftet, ebenso sein Wahlkampfleiter Ghorban Behsadiannejaad. Auch Emadedin Baaghi, der für Karrubi den Wahlkampf geleitet hatte und Schüler Montaseris war, wurde verhaftet. Gleichzeitig kam es in Teheran zu erneuten Auseinandersetzungen auf den Straßen.

Spätestens am Mittwoch, drei Tage nach den Todesfällen am Aschura-Fest, dürfte es in Irans Großstädten wieder zu massiven Zusammenstößen zwischen Anhängern der Opposition und der Staatsmacht kommen. Dass die Demonstranten trotz der damit einhergehenden Gefahr den Regimewechsel herbeizwingen wollen, zeigen neue Sprechchöre, die am Sonntag durch Teherans Straßen schallten. Tausende riefen: "Wir werden kämpfen, wir werden sterben, wir werden unser Land zurückerobern."

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